
Wenn Eltern an ihre Grenzen kommen
In Familien gibt es Konflikte, die mit verschiedenen Handlungen ausgetragen werden. Doch manchmal stecken hinter Verhaltensweisen bereits Anzeichen von Gewalt. Das zu erkennen und es zu ändern, gelingt mit Unterstützung von außen. Im Großraum Stuttgart gibt es zahlreiche Anlaufstellen für Betroffene.
Die Auswirkungen der Corona-Krise haben die Nerven in einigen Familien strapaziert und die Mehrfachbelastung hinterlässt Spuren bei allen. Die Folge: Streits eskalieren plötzlich in ungeahnten Ausmaßen, die Sorgen und die Unsicherheit fordern ihren Tribut.
So mancher macht seinem Herzen in einer Konfliktsituation laut Luft. Doch wer tatsächlich sein Gegenüber – sei es Kind oder Erwachsener – angreift, überschreitet eine unsichtbare Linie. Körperliche Maßnahmen zählen für viele offensichtlich zu Gewalt in der Erziehung. Dabei beginnt diese schon viel früher. Bereits in der verbalen Kommunikation kann Gewalt zum Ausdruck kommen. Sätze wie „Du bist so dumm“, „aus dir wird nie etwas werden“ oder „du bist eine Enttäuschung für mich“ hinterlassen Spuren auf der kindlichen Seele. Und diese wirken bewusst und unbewusst ein Leben lang.
Allein gelassen und überfordert
Dabei ist Gewalt nicht zu definieren, da diese zumeist sehr subjektiv wahrgenommen wird. Doch es gibt Kennzeichen: „Wenn jemand aus seiner Machtposition heraus, etwa durch Größe oder Stärke, versucht, einen anderen Menschen negativ zu beeinflussen oder massiven Druck ausübt“, erklärt Angelika Effmert, psychologische Beraterin in Winterbach bei Schorndorf. „Hierdurch können gerade Kinder verängstigt, eingeschüchtert oder gedemütigt werden.“
Gerade in der Erziehung fühlen sich manche Eltern alleingelassen und überfordert. Hier treffen einfach Individuen aufeinander, die mit einer Situation fertig werden müssen. Dabei ist Gewalt nie eine Lösung, aber aufgrund von eigenen Erfahrungen oder aus der Situation heraus kann es geschehen, dass jemand gewalttätig wird. „Eltern geraten in manchen Situationen an ihre Grenzen. Das ist natürlich, und das zu erkennen ist ein Zeichen der Stärke“, sagt Angelika Effmert.
Wer sich jetzt erschrocken fragt, ob er selbst bereits Gewalt in der Erziehung angewendet hat, hat den ersten Schritt zur Verbesserung schon getan. Denn das Hinterfragen seiner selbst und den eigenen Methoden ist ein guter Weg zur gewaltfreien Erziehung. Oftmals ist es zudem hilfreich, sich Unterstützung von außen zu holen. Denn objektive Impulse helfen, die Gründe für die eigene Handlung zu hinterfragen und aus gewohnten Verhaltensweisen auszusteigen. Im Großraum Stuttgart gibt es zahlreiche Anlaufstellen für Betroffene auf beiden Seiten – auch anonym, um ersten Rat zu bekommen.
Und noch etwas ist ganz wichtig: den Fehler gegenüber einem Kind einzugestehen und um Entschuldigung zu bitten, ist ein sehr wichtiger und prägender Aspekt in der Kindererziehung. Denn mit unserem Verhalten prägen wir als Vorbild unsere Kinder – ein Leben lang.
Krisenplan
Angelika Effmert hat für Eltern ein paar Tipps, wenn es wieder kracht:
- Gehen Sie aktiv aus der Situation raus, entweder allein oder nehmen Sie das Kind mit. Wenn es Zuhause gerade fast eskaliert wäre, brechen Sie den Streit ab, indem Sie zum Beispiel sagen „wir gehen jetzt auf den Spielplatz“.
- Was können Sie jetzt tun, um sich aktiv zu entspannen und sich abzuregen? Hier hilft eine achtsame Atmung: Bewusst und langsam sechs Sekunden einatmen - sechs Sekunden ausatmen.
- Reflektieren Sie später in Ruhe die Situation. Was waren die Faktoren, die diese ausgelöst haben?
- Wenn Sie sich beruhigt haben, suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind. Versuche Sie es zu erklären, was da aus Ihrer Sicht gerade schiefgelaufen ist. Je nach Alter können Sie offen von Ihren Emotionen reden. Entschuldigen Sie sich zudem beim Kind, egal wie alt es ist. Fragen Sie das Kind, was es darüber denkt. Wenn es alt genug ist, können Sie es aktiv einbinden bei der Überlegung, wie man es in Zukunft besser machen kann
- Binden Sie Ihren Partner/in mit ein und sprechen Sie darüber, was Sie belastet
- Sie sind nicht allein, suchen Sie Unterstützung bei einer Vertrauensperson oder nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch. Dadurch tun Sie sich und Ihrem Kind etwas Gutes.
Tipps & Wissenswertes in Kürze
Anlaufstellen und Einrichtungen in der Region Stuttgart:
- Erziehungsberatung & Familiencoaching, Angelika Effmert, Psychologische Beratung, Winterbach, Tel. 0172-6212851, www.angelika-effmert.de
- Kinderschutz-Zentrum Stuttgart, Tel. 238900, www.kisz-stuttgart.de
- Der Kinderschutzbund, Ortsverband Stuttgart e.V., Tel. 244424, www.kinderschutzbund-stuttgart.de
- Psychologische Beratungsstelle der Evangelischen Kirche Stuttgart, Tel. 669590
- Beratungsstelle Degerloch, Tel. 7657151, www.beratungsstelle-stuttgart.de
- Caritasverband für Stuttgart e.V., Psychologische und soziale Beratungsstelle Mitte/Süd, T. 6017030, www.caritas-stuttgart.de
Hilfe bei häuslicher Gewalt für gewaltausübende Menschen und von Gewalt betroffene Männer:
- Sozialberatung Stuttgart e.V., Tel. 169200, www.sozialberatung-stuttgart.de
Online und teilweise anonym:
- https://stuttgart-gegen-gewalt.de
- www.stuttgart.de/item/show/542682/1
- https://eltern.bke-beratung.de
- https://jugend.bke-beratung.de