
Tipps für eine kinder- und insektenfreundliche Gartengestaltung
Seit Jahrzehnten zeigen Studien, dass Insektenarten und ihre Bestände auf der ganzen Welt dramatisch zurückgehen. Wie kann man im eigenen Garten Lebensräume für die nützlichen Krabbeltiere schaffen? Und müssen Fußballtor und Trampolin deshalb automatisch weichen? Anne Kraushaar hat diese Fragen der Biologin Sabine Brandt vom NABU Baden-Württemberg gestellt.
Frau Brandt, wie ist die Lage für die Insekten aktuell?
Sehr kritisch. Beginnend mit den Arbeiten des Krefelder Entomologischen Vereins, über die TU München bis zur Forschungsstation für Vogel- und Insektenzug am Randecker Maar wurden bei umfangreichen Langzeitdokumentationen in den letzten Jahren immer ähnliche Ergebnisse erzielt. Danach sind seit 1970 die Individuenzahlen vieler Insektenarten über 80 Prozent zurückgegangen. Auch global ist die Situation gravierend. 2019 hat das australische Sydney Institute of Agriculture bei einer weltweiten Studie herausgefunden, dass fast die Hälfte aller Insektenarten stark zurückgehen und ihre Biomasse um 2,5 Prozent schrumpft. Die Forscher aus Australien gehen davon aus, dass in hundert Jahren viele Insektenarten ausgestorben sein werden.
Was bedeutet das für unser Ökosystem?
Um sich vorstellen zu können, was das bedeutet, braucht man nur auf die Vögel zu gucken: Sie werden immer weniger, weil sie durch den Insektenschwund nicht mehr genug Nahrung bekommen. Auch wir Menschen brauchen die Insekten für unser Überleben. Schließlich bestäuben sie die Pflanzen, verteilen die Samen und räumen hinter uns auf. Außerdem sind viele Insekten auch Gegenspieler für andere Insekten, die für uns gefährlich werden können. Insekten sind also sehr wichtig für uns. Ihr Rückgang ist das zweite große Problem neben der Klimakrise.
Was sind die Ursachen für das Artensterben?
Hauptverursacher ist der Mensch und sein Verhalten. Da ist die Zersiedelung und Bebauung der Flächen, der Verkehr und die Lichtverschmutzung. Und da ist unser Konsumverhalten, an das sich die Landwirtschaft angepasst hat. Weil wir alles immer billiger haben wollen, in großen Mengen und zu jeder Jahreszeit, produzieren die Landwirte immer intensiver, oft auch mit Einsatz von Pestiziden. All diese Faktoren sind die Ursache dafür, dass viele Insektenarten zurückgegangen sind. Und natürlich trägt auch der Klimawandel zum Artensterben bei.
Da kommt man sich dann doch eher bedeutungslos vor mit einer Packung Saatgutmischung für Insekten in der einen und einem Spaten in der anderen Hand.
Das sollte man aber nicht! Jeder Einzelne hat die Chance, in seinem eigenen Garten etwas für den Insektenschutz zu machen. Immerhin ist die Fläche aller Gärten in Deutschland zusammen größer als die Fläche aller hiesigen Naturschutzgebiete. Das ist ein richtiges Pfund, mit dem man für die Insekten ökologische Trittsteine setzen kann, also Räume schaffen kann, in denen sie leben und sich mit anderen genetisch austauschen und vernetzen können.
Was müssen wir dabei beachten, wenn wir auch die Interessen der Kinder berücksichtigen wollen?
Ich würde den Garten zunächst in Flächen für Kinder und für Tiere einteilen. Also eine Rasenfläche zum Spielen für die Kinder und etwas wildere, nicht ganz so gepflegte Bereiche für die Tiere. Die sind dann nicht zum Rumrennen da, sondern zum Beobachten. Und dann kann man sich es eigentlich leicht machen. Denn Insekten und Kinder haben eines gemeinsam: Sie lieben Unordnung. Deshalb ist ein Garten, der gleichzeitig insekten- und kinderfreundlich ist, gar kein Widerspruch.
Unordnung klingt erstmal nach einem erfreulich einfachen Konzept.
Das ist es auch. Es ist schon viel gewonnen, wenn man hier und da einfach mal was liegen lässt, kleine Haufen aus Ästen, Hölzern und Steinen bildet und das Laub im Herbst nicht wegräumt, sondern erst einmal auf einen Haufen recht und bis zum Frühjahr liegen lässt. Damit bildet man für die Insekten wichtige Lebensräume.
Sollte man auch den Rasen nicht so oft mähen?
Im Sommer, wenn die Kinder barfuß darauf herumlaufen, sollte man ihn so mähen, dass der Klee nicht durchkommt, der ja die Bienen anzieht. Aber im Frühling, wenn man Schuhe anhat, sind Klee und Gänseblümchen für die Kinder überhaupt kein Problem – und für die Insekten eine gute Nahrungsquelle.
Worauf muss man achten, wenn man auf einem Teil des Rasens eine Wildblumenwiese anlegen möchte?
Wildblumen bieten viel Nahrung für die Bienen, aber unsere Böden sind viel zu fett, als dass sie einfach so darauf wachsen könnten. Damit das klappt, muss man das Gras abtragen und anschließend Sand oder Kies unter die Erde mischen. Auf diesem ärmeren Boden können die Blühpflanzen wachsen. Ein- bis zweimal im Jahr mähen reicht. Und dann kann man sich daran erfreuen, dass so eine Blumenwiese jedes Jahr anders aussieht, weil sich immer die Arten durchsetzen, die mit den Bedingungen des jeweiligen Sommers zurechtkommen.
Wie kann man sein Blumenbeet insektenfreundlich gestalten?
Man sollte ein vielfältiges Blühangebot schaffen, das den Insekten von März bis Oktober Nahrung bietet. Am besten mit heimischen Pflanzen, die ja die Lebensgrundlage für unsere hiesige Tierwelt bieten. Statt also auf exotische Zierpflanzen mit gefüllten Blüten zu setzen, die oft gar keinen Nektar oder Pollen enthalten und in die die Insekten gar nicht hineinkommen, könnte man zum Beispiel Stauden anpflanzen. Man muss kein Gärtner sein, damit es gelingt und einmal gepflanzt, hat man kaum mehr Arbeit damit, denn ein Staudenbeet soll vor allem eines: Dicht werden.
Aber zurückschneiden sollte man es schon irgendwann, oder?
Das reicht einmal im Jahr im Frühling. Im Herbst sollten wir die verblühten Pflanzen einfach stehen lassen, denn viele Insekten legen ihre Eier in den abgestorbenen Stängeln ab oder überwintern in der Bodenstreu. Im Frühling dann kann man die braunen Blätter abzupfen. Das macht übrigens auch Kindern Spaß, vor allem, wenn man die Blätter danach noch eine Weile neben den Kompost legt und beobachtet, ob kleine Tiere rausschlüpfen, die darin überwintert haben.
Bieten auch Insektenhotels wertvolle Schlupflöcher?
Insektenhotels machen Spaß, sind aber leider kein Artenrettungsprogramm. Da bietet eine „wilde Ecke“ mit Brennnesseln, Totholz und Schnittguthaufen viel mehr Lebensraum für seltene Arten. Auch sollte man den Garten nicht allzu akribisch zupflanzen, sondern ein paar Bereiche leer lassen und einfach nur mit Sand und Kies füllen: Dort nisten viele der seltenen Wildbienen.
Gibt es auch für Zäune eine tierfreundliche Alternative?
Besser als jeder Zaun ist eine artenreiche Hecke. Sie ist nicht nur ein schöner Sichtschutz, sondern außerdem ein guter Lebensraum für viele Tiere. Auch bei der Hecke sollte man auf eine möglichst lange Blütezeit und eine Vielfalt aus einheimischen Gehölzen und Wildsträuchern achten. Außerdem kann man Arten in sie pflanzen, bei denen man etwas ernten kann, eine Felsenbirne zum Beispiel. Das ist auch für Kinder optimal, denn Obst aus dem eigenen Garten schmeckt immer besser als das aus dem Laden.
Und das Ernten macht so Spaß! Könnte man Kindern auch ein eigenes kleines Hochbeet bauen, für das sie dann selbst verantwortlich sind?
Das halte ich pädagogisch für absolut wertvoll. Man sollte die Kinder allerdings etwas anleiten und begleiten dabei, damit sie auch ein Erfolgserlebnis haben. Auch ein Kräuter-, Duft- und Schmeckgarten ist toll – für uns Menschen, die wir die Kräuter nutzen und probieren können und für die Insekten, die dort Nahrung finden.
Wäre es sinnvoll, bei den immer trockener werdenden Sommern einen Teich anzulegen?
Mit kleinen Kindern würde ich das nicht machen, weil die Gefahr zu ertrinken zu groß ist. Mit ihnen könnte man Schälchen für die Vögel und Insekten aufstellen, mit täglich frischem Wasser und Steinen und Stöckchen darin, damit hineingefallene Insekten wieder rausklettern können. Mit größeren Kindern kann man natürlich einen Teich anlegen. Man muss aber wissen, dass der auch viel Arbeit machen kann.
Welche Spielgeräte eignen sich für einen naturnahen Garten?
Kinder spielen ja am liebsten in einer Umgebung, in der sie etwas erleben können. Natürlich machen Schaukeln und Trampoline Spaß, aber viel länger spielen Kinder meist, wenn man ihnen einen Abenteuerraum schafft, den sie immer wieder ein bisschen verändern können. Etwa mit einem Baumstamm, der als Balancierstange oder Baumtelefon dient und mit einer Decke drüber schnell zur Höhle wird. Oder mit einem Tipi, das man ganz einfach selber machen kann, indem man Weiden schneidet, in den Boden steckt und dort Wurzeln schlagen lässt. Die Kinder können darin wunderbar spielen. Und die Bienen freuen sich, wenn die Weiden im Frühjahr blühen und ihnen eine erste Nahrung bieten.
Zur Person

Sabine Brandt ist Diplom-Biologin und leitet die NABU-Bezirksgeschäftsstelle Allgäu-Donau-Oberschwaben.