Ein älterer Mann mit Schnauzer beugt sich über einen Tisch und erklärt einem Jungen, der im Rollstuhl sitzt eine Aufgabe aus einem Schulbuch. Neben dem Jungen im Rollstuhl sitzt ein junger Mann mit leichtem Bart und braunen Haaren.

Schulbegleitung - ein Schritt Richtung inklusive Schule

01.05.2020

In der UN-Behindertenrechtskonvention ist geregelt, dass Kinder und Jugendliche mit seelischen/psychischen oder körperlichen Einschränkungen das Recht haben, inklusiv eine Regelschule zu besuchen. Schulbegleiter sind maßgeblich daran beteiligt, dieses Recht umzusetzen. Wenn man genauer hinsieht, offenbaren sich Schattenseiten dieses Systems.

Silke Bauerfeind ist Mutter eines Sohnes mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum. Dieser lernte niemals sprechen, sondern eignete sich zunächst unabhängig von seinem Umfeld, später mit Förderung, die Gebärdensprache an. „Wir hatten damals großes Glück und fanden immer wieder Schulbegleiter, die die Gebärdensprache beherrschten und ihm bei der Kommunikation in der Schule helfen konnten“, erinnert sich Bauerfeind. Sie unterhält inzwischen einen vielgelesenen Blog, in dem es auch um die Beschulung von Kindern mit einer Störung aus dem Autismus-Spektrum geht.

Durch den Kontakt mit vielen anderen Eltern weiß sie, dass es nicht immer so reibungslos mit den Schulbegleitern läuft. Diese stünden oftmals zwischen Lehrern und Eltern, würden ihren Platz in der Schule nicht finden und seien zudem kaum oder gar nicht ausgebildet und schlecht bezahlt.

Was genau ist ein Schulbegleiter?

Schulbegleiter sind keine Unterstützung der Lehrkraft, sondern eine Unterstützung für einzelne Schüler bei der Bewältigung des Schulalltags. Eine spezielle Ausbildung gibt es nicht. Manche leisten die Form der Integrationshilfe im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes oder des Freiwilligen Sozialen Jahres. Andere sind Quereinsteiger aus einem sozialen Beruf. Bei schweren Fällen werden auch Fachkräfte eingesetzt.  Eltern müssen je nach Art der Behinderung den Antrag auf die Übernahme der Kosten beim Jugend- oder Sozialamt (bei Körper- oder Mehrfachbehinderung) stellen. Ob ein tatsächlicher Bedarf besteht, wird gründlich geprüft. Im ersten Schritt wird ein psychiatrisches Gutachten mit einer entsprechenden Diagnose erstellt. Das Jugendamt prüft im Anschluss daran in einem umfassenden Verfahren der Jugendhilfe den Bedarf des Kindes zur Teilhabe an Bildung.

Kritik

Nancy Weise, die Schulbegleiter für die Evangelische Gesellschaft auswählt und betreut, steht dem Prinzip zwiespältig gegenüber. Sie berichtet, dass sie gerade mit Schulbegleitung von autistischen Schülern sehr gute Erfahrungen gemacht hat.

Allerdings würden mehr und mehr Schulen die Eltern dazu auffordern, einen Schulbegleiter für ihr Kind zu beantragen, wenn sie auffälliges Verhalten feststellen. „Meiner Ansicht nach liegt der Fehler hierfür eher im System. Dieses müsste sich dahingehend strukturell verändern, dass auffälligem Verhalten anders in der Klassengemeinschaft begegnet werden kann. Es gibt verschiedene pädagogische Ansätze zur gelingenden Integration“, berichtet Weise. Schulbegleitung würde oftmals als schnelle Lösung für ein tiefer sitzendes Problem missverstanden. „Das System verleitet dazu, ein Pflaster draufzukleben, anstatt dafür zu sorgen, dass die Wunde nicht mehr blutet.“ Sie möchte Eltern von betroffenen Kindern ermutigen, bei Verhaltensauffälligkeiten möglichst im ersten Schritt eine ergebnisoffene Beratung beim Jugendamt zu erfragen. „Verhaltensauffällige Kinder brauchen Unterstützung. Ob diese aber die Schulbegleitung ist, muss unbedingt ermittelt werden.“

Generell steht außer Frage, dass tiefgreifende Reformen des bestehenden Schulsystems nötig wären, um eine funktionierende Inklusion zu ermöglichen. Die Reduzierung des Klassenteilers und die Bereitstellung von mehr ausgebildeten Lehrern wäre ein wichtiger Anfang. Schulbegleiter leisten ohne Zweifel eine wichtige Aufgabe. Sie können Reformen des Systems aber nicht ersetzen.

 

Zur Person

Den Blog von Silke Bauerfeind findet man unter: www.ellasblog.de