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Geburtseinleitung durch Cytotec

01.07.2020

Cytotec geriet Anfang des Jahres zunehmend in die Kritik. Als so genanntes Off-Label-Medikament, das zur Geburtseinleitung in Deutschland nicht zugelassen ist, aber trotzdem in vielen Kliniken zum Einsatz kommt, könne es bei Frau und Kind schwere Komplikationen verursachen.

Mich hat interessiert, was Dr. med. Frank Louwen dazu sagt. Der Leiter der Universitäts-Frauenklinik in Frankfurt am Main und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) ist ein Befürworter der natürlichen Geburt und steht Interventionen kritisch gegenüber.

Cytotec beinhaltet den Wirkstoff Misoprostol, ein synthetisch hergestelltes Prostaglandin. Prostaglandin ist das Hormon, das vor der Geburt die Wehen auslöst. In Deutschland ist das Magenschutzmittel, anders als in anderen europäischen Ländern, nicht als Medikament zur Geburtseinleitung zugelassen. Es kommt aber in vielen Kliniken zum Einsatz. Dr. med. Frank Louwen hält Cytotec entgegen der harten Kritik für „hoch effektiv“ und „sehr sicher für Frau und Kind“, sofern es in der richtigen Dosierung eingesetzt würde. Eine Tablette des Magenmedikaments beinhalte 200 Mikrogramm des Wirkstoffs. Für die Geburtseinleitung würden aber 20-50 Mikrogramm genügen.

Das Präparat simuliere die natürlichen Vorgänge im Körper der Frau und verursache weniger Nebenwirkungen als andere Medikamente, was zahlreiche Studien belegen würden. Die DGGG würde derzeit an einer Leitlinie arbeiten, die Cytotec bei richtiger Anwendung sogar nachdrücklich zur Geburtseinleitung empfehlen werde.

Kritik an der Einleitung

Louwen plädiert generell für einen zurückhaltenden Umgang mit der Einleitung. „Eine Geburtseinleitung ist eine Intervention in einen natürlichen Vorgang. Jede Intervention erhöht das Risiko für Komplikationen. Ohne ärztliche Indikation darf deshalb eine Einleitung nicht stattfinden“, gibt der Arzt zu bedenken. Die Einleitung bei einer gesunden Frau am Termin sei beispielsweise nicht indiziert. Der Geburtstermin sei variabel.

Wenn der genaue Zeugungstermin nicht bekannt sei, könne eine frühe gründliche Ultraschalluntersuchung im ersten Trimester denselben recht zuverlässig berechnen. Die Sterblichkeit der Föten in der Gebärmutter nehme aber nachweislich nach acht bis zehn Tagen über dem Termin aus unbekannten Gründen zu. Daher rät auch Louwen bei längerer Übertragung zur Einleitung. Engmaschige Kontrollen am Ende der Schwangerschaft seien keine Lösung, zumal der Zustand der Plazenta im Ultraschall nur eingeschränkt beurteilt werden könne. Es gebe aber durchaus auch mit Cytotec die Möglichkeit, eine Geburt sanft über mehrere Tage einzuleiten.

Warum übertragen Frauen?

Dr. med. Louwen beschäftigt sich auch mit der Frage, wie es überhaupt zu einer Übertragung komme. Studien würden zeigen, dass der Blutzuckerspiegel bei Schwangeren über dem Termin oftmals erhöht sei. „Bei erhöhtem Blutzuckerspiegel ist die Produktion von Prostaglandin, was die Wehen auslöst, gebremst“, erläutert er. Er empfiehlt Frauen daher, vier bis sechs Wochen vor dem Termin auf die Blutzuckerwerte zu achten und Speisen mit einem hohen glykämischen Index, beispielsweise Weißmehlprodukte und Zuckerhaltiges, weitestgehend zu meiden. Dies könne nicht nur einen positiven Einfluss auf den Geburtstermin haben, sondern sogar die Geburt erleichtern und Schmerzen reduzieren, da Prostaglandine auch die körpereigene Reaktion auf Entzündungen und Schmerzen steuern würden.