
Bewusst "anders reisen"
Der Begriff Nachhaltigkeit ist auch in der Reisebranche angekommen. Doch was versteht man eigentlich unter nachhaltigem Reisen? Sind solche Reisen für Familien erschwinglich? Geht Fliegen gar nicht?
Laut dem Papier „The Future of Tourism“ aus dem Jahr 2010 verursachte die Tourismusbranche ungefähr fünf Prozent der weltweiten Treibhausgase. Darunter fallen Flüge mit rund 40 Prozent, Autos (32 Prozent), Unterkünfte (21 Prozent) und Aktivitäten (vier Prozent). Wer also in den Urlaub fliegt, nimmt einen erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen in Kauf. Dennoch bieten auch die Reiseveranstalter, die auf Nachhaltigkeit bereits Wert legen, Flugreisen an. Die Definition von Nachhaltigkeit ist dabei von Veranstalter zu Veranstalter ganz unterschiedlich.
In der Umweltdatenbank wird der Begriff nachhaltiger Tourismus folgendermaßen definiert: „Als nachhaltig wird Tourismus dann angesehen, wenn er einen Umgang mit allen Ressourcen in einer Art und Weise ermöglicht, dass ökonomische, soziale und ästhetische Bedürfnisse erfüllt werden können und gleichzeitig die kulturelle Integrität, essentielle ökologische Vorgänge und die Biodiversität erhalten bleiben.“
Als einzige Organisation im Bereich nachhaltiges Reisen wirft der deutsche Verband forum anders reisen bereits seit 1998 einen „fairen Blick“ auf den Tourismus. „Für uns ist neben der Ökologie auch die soziale Verträglichkeit beim Reisen wichtig“, erklärt Petra Thomas, verantwortlich für Presse und Öffentlichkeitsarbeit beim Verband. „Touristen sollen im Urlaubsort in Kontakt mit den Menschen treten und deren Lebensverhältnisse besser kennenlernen“, beschreibt Thomas die idealen Reisebedingungen.
Die rund 140 Reiseveranstalter, die inzwischen Mitglied des Verbands sind, achten besonders auf diesen direkten Austausch und die Kontaktmöglichkeiten mit Einheimischen, aber auch, dass Investitionen im Urlaubsland bleiben – und den Menschen vor Ort zu Gute kommen. „Wer bei uns aufgenommen werden möchte, muss unseren Kriterien-Katalog erfüllen“, sagt Petra Thomas. Nachhaltiger Tourismus soll die Regionen wirtschaftlich stärken und dabei den Naturschutz unterstützen.
Wichtig ist, dass bei der Entwicklung solcher Reiseangebote alle Interessensgruppen einbezogen werden – vom Einheimischen, über Hoteliers und Angestellte bis hin zu den Naturschutzorganisationen und dem Reisegast selbst.
Auch der WWF bietet naturverträgliche Kinder- und Jugendreisen
Der World Wide Fund For Nature (WWF) ist eine der größten und erfahrensten Naturschutzorganisationen der Welt und in mehr als 100 Ländern aktiv. Weltweit unterstützen ihn rund fünf Millionen Förderer. Die Organisation WWF bietet für Kinder bis 13 Jahre und Jugendliche und junge Erwachsen bis 21 Jahre nachhaltige Natur Camps in Deutschland und Europa an.
„Die Reisen werden von Pädagogen begleitet und sind auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendliche zugeschnitten“, sagt Petra Thomas übers Angebot von WWF. Für Kinder gibt es die spannende Erlebnisreise „Wo die wilden Wölfe leben“. Dabei begeben sich die Teilnehmer mit Experten auf Spurensuche im Naturpark Südheide (sechs Tage kosten 325,- Euro, ohne Anreise) und in Litauen paddeln Jugendliche zu Baumriesen und Fischadlern (12 Tage kosten 595,- Euro inkl. Fernbus ab Berlin).
Der Reiseveranstalter ReNatour ist Mitglied im forum anders reisen und bietet Familienreisen an, die von den standardisierten Pauschalreisen abweichen und im Einklang mit der Natur stehen. Jedes Familienmitglied soll genügend Zeit für sich haben, sprich Mama und Papa dürfen sich auch einmal in die Hängematte liegen, während sich die Sprösslinge im Kinderprogramm austoben. Angeboten werden familiengerechte Ausflüge, Lagerfeuerabende, Bootstouren, die sich für alle Altersgruppen gleichermaßen eignen. Als Reiseveranstalter für Nachhaltigen Tourismus achtet ReNatour darauf, dass auch beim Reisen die Umwelt geschont und lokale Besonderheiten bewahrt werden. Die Partner vor Ort sollen dabei langfristig erfolgreich sein und eine durchdachte, der Region angepasste, touristische Entwicklung durchlaufen. Unter anderem gibt es die Erlebnisreise „Mit dem Planwagen durch die Vogesen“, die siebentägige Reise kostet je nach Reisezeitraum ab 630,- Euro.
Seit 2013 bietet For Family Reisen GmbH abenteuerliche Familienreisen in die ganze Welt an. Die Muttergesellschaft travel-to-nature entstand bereits in den 90-er Jahren aus dem Bestreben heraus, dem Baumsterben entgegenzuwirken. Ihre Philosophie lautet: Erlebe die Natur, schütze sie und respektiere sie, sowie die Menschen und Kulturen. Der Reiseveranstalter definiert Nachhaltigkeit auf seinen Internetseiten mit den Worten: „Unternehmerisches Handeln, welches gleichwohl umwelt- und sozialverträglich, wie auch wirtschaftlich erfolgreich ist und dauerhaft betrieben werden kann.“
Beliebte Familienreisen im Programm sind ‚Abenteuer im Norden‘, und zwar in Schweden inklusive gemeinsamen Paddelns (12 Tage für Erwachsen ab 839,- Euro und Kinder 729,- Euro, ohne Anreise). Tiefer in die Tasche greifen müssen Familien für die Entdeckertour im Regenwald von Costa Rica (Erwachsene bezahlen ab 2099,- Euro für 16 Tage und Kinder ab 899,- Euro, ohne Anreise).
Stuttgarter Anbieter
Aus Stuttgart kommt der Anbieter travel to life, also „Reisen zum Leben“. „Das sind Reisen, die mehr bringen, als der reine Besuch von fremden Ländern“, ist der Stuttgarter Gründer Andreas Damson überzeugt, der das Unternehmen gemeinsam mit Annette Paatzsch leitet. „Man bekommt einen Blick in die Seele und in das wahre Leben der Menschen des Reiselandes.“ Daraus können sich wahre Glücksmomente ergeben, die dafür sorgen, dass der Urlaub lange in der Erinnerung der Reisenden lebendig bleibt, neue Impulse geben und das Leben bereichern. „Der Schlüssel zu diesen besonderen Reiseerlebnissen sind unsere hervorragenden Reiseleiter“, ist Damson überzeugt. Travel to life bietet neben Reisen auch die Ausbildung zum Reiseleiter an. Travel To Life ist ebenfalls Mitglied im Verband forum anders reisen und Annette Paatzsch ist im Vorstand des forum anders reisen e.V. „Wir erfüllen den strengen Kriterienkatalog hinsichtlich der Nachhaltigkeit unserer Reiseform“, sagt Andreas Damson. „Wir möchten erfahren, wie das Land wirklich ist und suchen es jenseits der touristischen Fassade.“
Dabei bekommt der Urlauber vielleicht nicht immer nur romantische und pittoreske Eindrücke, aber auf jeden Fall wertvolle und bereichernde. Die Unterkünfte sind größtenteils in einheimischem Besitz. Die Gäste werden über die jeweiligen Kulturformen und Verhaltensweisen informiert und können sich dem Reiseland nähern, ohne die wüsten Spuren des Massentourismus zu hinterlassen. „Wer sich kennt und miteinander spricht, schießt nicht aufeinander“, bringt es Damson auf den Punkt. Der Geschäftsführer freut sich, dass inzwischen auch Familien auf die Angebote von travel to life aufmerksam werden. Nachhaltiges Reisen sei eines der wichtigsten Zukunftsthemen der Tourismusbranche und ein bedeutender Wachstumsmarkt, der überproportional zur übrigen Branche wachse.
Aventerra „Reisen und Lernen“ ist ebenfalls ein Stuttgarter Unternehmen, das nachhaltige Reisen anbietet, über pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter verfügt, ein hohes Betreuungsverhältnis bei den Reisen bietet, auf Waldorfpädagogik setzt und alle Freizeiten nach den Grundsätzen der Inklusion durchführt. In den Sommerferien gibt es für Jugendliche eine Radtour von Ulm nach Regensburg unter dem Motto „Ohne Geld durch die Welt“. Nach dem Kennenlernen wird jeden Tag aufs Neue eine Schlafmöglichkeit gesucht und durch Kreativität mit Musik, Tanz und vielem mehr auch für Essen und Trinken gesorgt. Acht Tage kosten 325,- Euro für die erste Übernachtung und die drei Erlebnispädagogen, die die Reise begleiten.
Interessante Links:
- Forum anders reisen: forumandersreisen.de
- atmosfair: atmosfair.de
- WWF Jugendreisen: wwf.de/aktuell/kiju-camps
- ReNatour: renatour.de
- traveltolife: traveltolife.de
- travel-to-nature: travel-to-nature.de
- aventerra: aventerra.de