Berühmte Stuttgarter Frauen und ihre Geschichte

11.02.2025

Elly Heuss-Knapp

Schwarz-weiß Bild von Elly Heuss-Knapp. Sie hält eine Rede an einem Podium.

Viel mehr als First Lady

Elly Heuss-Knapp war die erste First Lady in der Bundesrepublik, ihr Mann Theodor Heuss, der erste Bundespräsident Deutschlands. Als sie 1946 in den Württembergischen Landtag gewählt wurde, wohnte die Familie in Stuttgart-Degerloch.

Sie war hochpolitisch und mischte sich ein, wenn es um Armut, Arbeitsbedingungen oder Frauenrechte ging. Berühmt ist sie als Gründerin des Müttergenesungswerkes. Eine weniger bekannte Seite von ihr ist die erfolgreiche Arbeit in der Werbung in den dreißiger Jahren. Sie inspiriert bis heute. 

„Elly“ wird als Elisabeth Eleonore Anna Justine Knapp 1881 in Straßburg geboren. Ihre Kindheit und Jugend waren vom Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm II geprägt. Die Industrialisierung und der rasante wirtschaftliche Aufschwung ließen die Städte wachsen. Arbeiter wurden überall gebraucht, doch die Schattenseiten waren miserable Wohnverhältnisse, Armut und schlimme Arbeitsbedingungen. Schon früh zeigt sich Ellys Engagement für Frauen und Mädchen: Bildung und Verbesserung der sozialen Lage sind ihr Leitmotiv. Sie studiert Lehramt und wird Mitbegründerin einer „Fortbildungsschule für Mädchen“, hier unterrichtet sie auch selbst.

Unabhängig und intellektuell

Elly und Theodor Heuss sitzen in einem offenen Auto und winken der Menge zu.

Elly heiratet Theodor Heuss, einen liberalen Journalisten, 1908 in Straßburg. Da hat sie bereits eigene politische Interessen und Erfolge. Drei Jahre zuvor, mit 24 Jahren, entscheidet sie sich für ein Studium der Volkswirtschaftslehre. Elly ist eine der ersten Frauen, die an der Universität in Freiburg als Studentin zugelassen wurden. Sie hält Vorträge zu politischen Themen und veröffentlicht 1910 ihr Buch „Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen“. 

Im gleichen Jahr kommt der gemeinsame Sohn Ernst Ludwig zur Welt. Elly und Theodor führen eine damals ungewöhnlich gleichberechtigte Ehe auf Augenhöhe, geprägt von Respekt und gegenseitiger Unterstützung und sie gestehen sich beruflich große Freiräume zu. Auch wirtschaftlich bleibt Elly immer unabhängig von ihrem Mann.

Frauenrechtlerin und Politikerin

1919 durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen und auch gewählt werden. Elly kandidiert für die Weimarer Nationalversammlung und für den Reichstag. Sie erhält keinen Sitz im Parlament. 

Ein politisches Mandat erreicht sie aber nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wird 1946 in den Landtag von Württemberg gewählt und gehört ihm bis 1949 an. Eine Mahlzeit für jedes Schulkind und kleine Schulklassen - dafür setzt sie sich ein. In dieser Zeit lebt die Familie Heuss in Stuttgart-Degerloch.

Werbefachfrau und Pionierin in der Frauengesundheit

Als 1933 die Nazis an die Macht kommen, verliert Theodor Heuss seine Arbeit an der Hochschule für Politik in Berlin und sein Mandat als Reichstagsabgeordneter. Auch Elly darf nicht mehr unterrichten. Die Familie ist nun ohne regelmäßiges Einkommen. Ihr Vetter, Besitzer der Wybert-Gaba-Werke in Basel, bietet ihr eine Stelle an. Sie soll das Image der hauseigenen Hustenpastillen verbessern. Ihre Idee revolutioniert die Rundfunkwerbung: Sie lässt den Namen Wybert einfach singen. Der Jingle, ein akustisches Warenzeichen, ist geboren. Auch wenn die neue Arbeit nach ihrer Ansicht nicht intellektuell war, Erfolg hat sie. Die größten deutschen Unternehmen rissen sich um Elly: Nivea, Erdal, Kaffee Hag, Blaupunkt, Persil. 

Die Nachkriegszeit ist schwer. Als ihr Mann 1949 Bundespräsident wird, erlebt Elly, wie gefordert Mütter jetzt sind: Viele Männer sind entweder tot, gefangen oder desillusioniert vom Krieg. Wiederaufbau, Berufstätigkeit und Familienaufgaben lasten schwer auf den Schultern. 1950 gründet sie das Müttergenesungswerk. Mütter sollten sich in Erholungsheimen, die nun unter einem Dachverband organisiert sind, eine Auszeit verschaffen können. Heute steht die Organisation auch Vätern und Pflegenden zur Seite. Am 19. Juli 1952 verstirbt Elly Heuss-Knapp im Alter von 71 Jahren in Bonn. 

Theodor Heuss zog nach seiner zweiten Amtszeit 1959 zurück nach Stuttgart. Das Theodor-Heuss-Haus auf dem Killesberg beleuchtet in einer eindrucksvollen Dauerausstellung das Leben des Paares, das große Bedeutung für unser politisches System hat.

Theodor-Heuss-Haus, Erinnerungsstätte und Ausstellung, Feuerbacher Weg 46, S-Killesberg, theodor-heuss-haus.de

Clara Zetkin

Gedenktafel an einer Wand zeigt Clara Zetkin

Am achten März ist Weltfrauentag. In Stuttgart hielt Clara Zetkin am ersten weltweit durchgeführten Frauentag 1911 die Gedenkrede im Gartensaal der Brauerei Dinkelacker. Eine Tafel erinnert an das Ereignis. 

„Schwer und schmerzensreich ist der Kampf der Frauen. Er führt durch die Wüste der Hungerlöhne, durch die Dornen der Entbehrungen. Aber er muss ausgefochten werden.“ Diese Worte von Clara Zetkin haben auch heute nicht an Brisanz verloren. Daran wird an einer Gedenktafel am Dinkelackergebäude im Stuttgarter Süden erinnert.

Wer war Clara Josephine Zetkin?

Clara, geborene Eißner, war eine sozialistisch-kommunistische deutsche Politikerin, Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin. Bereits 1874 hatte die Volksschullehrerin, 1857 in Wiederau/Sachsen geboren, Kontakte zur Frauen- und Arbeiterbewegung. Vier Jahre später war sie Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, die später in SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) umbenannt wurde. Das Sozialistengesetz (1878 – 1890) verbot sozialdemokratische Aktivitäten außerhalb der Landtage und des Reichstages. Daher ging Clara erst nach Zürich und dann nach Paris ins Exil. 

Mit ihrem Lebenspartner, dem russischen Revolutionär Ossip Zetkin und den gemeinsamen Söhnen, kehrte sie 1890 nach Deutschland zurück und lebte in Stuttgart-Sillenbuch. Clara Zetkin arbeitete in dieser Zeit als Übersetzerin für den Dietz-Verlag und später als Chefredakteurin einer sozialdemokratischen Frauenzeitschrift. Nach dem Tode ihres Mannes heiratete die 42-jährige in Stuttgart den 24-jährigen Kunstmaler Friedrich Zundel aus Wiernsheim. Nachdem ihr Ehemann eine Beziehung zu Paula, Robert Boschs jüngster Tochter, unterhielt, kam es zur Entfremdung und 1927 wurde die Ehe geschieden. Sie starb 1933 in der Nähe von Moskau, wohin sie nach der Machtergreifung der NSDAP fliehen musste.

Schwarz-weiß Bild von Clara Zetkin

Clara Zetkin in Stuttgart

Neben der Gedenktafel an der Dinkelacker Brauerei erinnert auch die bedeutende Kulturstätte der Stuttgarter Arbeiterbewegung, das Waldheim Sillenbuch, an die Frauenrechtlerin, deren Namen es heute noch trägt. Auf der ersten Internationalen Frauenkonferenz, die 1907 in Stuttgart in der Liederhalle stattfand, wurde Clara Zetkin zur Sekretärin des Internationalen Frauensekretariats gewählt. Auf der zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz (Kopenhagen) forderte die Sozialistin, die rund drei Jahrzehnte in Stuttgart lebte, einen eigenen Kampf- und Forderungstag für Frauen. 

Der erste Internationale Frauentag im März 1911 war dann ein voller Erfolg und in Deutschland demonstrierten mehr als eine Million Frauen. Immer mehr Forderungen nach einem Frauenwahlrecht wurden laut, das dann am 30. November 1918 gesetzlich eingeführt wurde und bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung 1919 erstmals ausgeübt werden konnte. 

Clara Zetkin gehörte dem Reichstag in der Weimarer Republik über die gesamte Zeit seines Bestehens (1920-1933) als Abgeordnete der KPD an. 1932 eröffnete sie diesen als Alterspräsidentin. Außerdem war sie Mitglied der Verfassungsgebenden Landesversammlung des freien Volksstaates Württemberg.

Jella Lepmann

Schwarz-weiß Bild von Jella Lepmann
© privat

Förderin von Kinder- und Jugendliteratur

Jella Lepman lebte als Kind, Jugendliche und junge Erwachsene in Stuttgart. Mit 22 Jahren heiratete sie Gustav Horace Lepman in Stuttgart und bekam zwei Kinder, bevor ihr Mann nach dem Ersten Weltkrieg an den Folgen seiner Kriegsverletzungen verstarb. Die jüdische Journalistin, Autorin und Übersetzerin verließ während des Nazi-Regimes Deutschland und wanderte nach England aus. 1945 wurde die Kinderbuchautorin dann von der amerikanischen Militärregierung als Beraterin für den Wiederaufbau nach Deutschland zurückgeholt. 

Bekannt sind ihre Sammlungen und Gutenachtgeschichten für Kinder, die sie über Jahre zusammengetragen hat. Weniger bekannt ist, dass die Schriftstellerin Erich Kästner zu seinem Buch „Die Konferenz der Tiere“ anregte. Seine Fabel über Frieden und Menschlichkeit ist heute wieder aktueller denn je: Denn wenn die Menschen in Verhandlungen und Konferenzen kein friedliches Miteinander schaffen, müssen es eben die Tiere richten. Sie erinnern die Menschen im Buch an das Wichtigste überhaupt – die Kinder.

Internationale Jugendbibliothek in München

Nach der Rückkehr von Jella Lepman aus England war sie stellvertretende Chefredakteurin der Illustrierten „Heute“, herausgegeben von der US-Militärregierung. 1948 organisierte Lepman die „Vereinigung der Freunde der Internationalen Jugendbibliothek“. Dem Kreis gehörte auch Erich Kästner an. Nur ein Jahr später gründete sie die Internationale Jugendbibliothek (IJB) in München, die weltweit größte Spezialbibliothek für internationale Kinder- und Jugendliteratur. Sie war mit rund 8.000 Büchern die weltweit erste Bibliothek für internationale Kinder- und Jugendliteratur. Ihre Eröffnung stieß auf großes öffentliches Interesse. 

In der Spezialbibliothek wird Kinder- und Jugendliteratur aus der ganzen Welt gesammelt. Dabei soll der Gedanke der interkulturellen Verständigung gefördert werden. Auch heute noch ist die Stiftung Internationale Jugendbibliothek ein bedeutendes Zentrum für internationale Kinder- und Jugendliteratur. Es finden wissenschaftliche Tagungen, Podiumsdiskussionen, Ausstellungen, Veranstaltungen wie Lesungen und Werkstattgespräche statt – immer mit dem Fokus auf die internationale Kinder- und Jugendliteratur. 

Alle zwei Jahre findet das White Ravens Festival für internationale Kinder- und Jugendliteratur statt. Seit über zehn Jahren vergibt sie auch den James Krüss Preis für internationale Kinder- und Jugendliteratur – die Würdigung eines herausragenden Autors des Genres. Ihren Lebensabend verbrachte Jella Lepman in Zürich im Kreis guter Freunde. 1970 starb sie in der schweizerischen Stadt im Alter von 79 Jahren. Inzwischen ist in Stuttgart eine Straße nach ihr benannt und in der Stadtbibliothek am Mailänder Platz trägt ein Sitzungsraum ihren Namen.

Buchtipp

Cover des Buches "Die Kinderbuchbrücke"

Jella Lepman kehrte 1945 aus der Emigration ins Land der Täter zurück, um den deutschen Kindern mit Büchern die Welt zu eröffnen. Voller Humor und frei von Selbstmitleid schildert sie, wie sie in einem männerdominierten Umfeld als kämpferische und glaubwürdige Frau eine Institution erschuf, die zum weltweiten Vorbild wurde.

Jella Lepman, Die Kinderbuchbrücke, Verlag Kunstmann, 2020, 303 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-95614-392-2